Jüdische Kultusgemeinde für Göttingen und Südniedersachsen Presse zur Gründung am 16. Juni 2002

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Jüdische Kultusgemeinde
für Göttingen und Südniedersachsen


Göttinger Tageblatt 27. September 2005

Jüdische Gemeinde Göttingen hat sich gespalten

Nach jahrelangem Richtungsstreit entsteht eine konservative Kultusgemeinde mit 50 Mitgliedern

Die Jüdische Gemeinde Göttingen (JGG) hat sich gespalten. Mit der Gründung einer konservativen Jüdischen Kultusgemeinde für Göttingen und Südniedersachsen erreicht der jahrelange Richtungsstreit einen Höhepunkt.
GÖTTINGEN.
Die 1994 wiederbelebte Jüdische Gemeinde Göttingen verstand sich in den ersten Jahren unter ihrer damaligen Vorsitzenden, der Spanisch-Lektorin Eva Tichauer Moritz, als konservativ. Der Zuzug von russischen Juden nach Deutschland, der von der DDR-Wenderegierung initiiert worden war, hatte auch in Göttingen einen Neuanfang jüdischen Lebens ermöglicht. Die alte Gemeinde, deren Anfänge – mit Unterbrechungen – bis ins 13. Jahrhundert zurückreichen, war 1942 durch Deportation der letzten 120 Mitglieder von den Nazis ausgelöscht worden. Nach dem Krieg hatte sich Max Lilienthal aus Bovenden um einen Fortbestand der Gemeinde bemüht. Es gelang ihm allerdings bis zu seinem Tod 1971 nicht, die für die Abhaltung eines Gottesdienstes benötigten zehn Gläubigen zusammenzubringen.
Die 1994 wiederbelebte JGG wählte 2001 den Redakteur Harald Jüttner zu ihrem Vorsitzenden. 2002 schloss sich die Gemeinde der reformjüdischen Union Progressiver Juden an. Dabei spielte eine Rolle, dass der 1999 von der JGG mitgegründete Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in Niedersachsen zunehmend unter den Einfluss der Union geriet, berichtet Tichauer Moritz. Die größtenteils atheistisch geprägten Juden aus der früheren Sowjetunion begrüßten in Göttingen den Richtungswechsel hin zu einer liberaleren Bibelauslegung.
Entfremdung
Damit verbunden war allerdings die Entfremdung der engagierten konservativen Minderheit. Sie gründete im Juni 2002 das Jüdische Lehrhaus. Jüttner beklagte damals den „Eindruck der Abspaltung“. Das wies die Lehrhaus-Vorsitzende Tichauer Moritz allerdings schon damals zurück. Der Verein organisiere das gemeinsame Studium, an dem sich auch nichtjüdische Freunde beteiligen könnten. Das Lehrhaus werde auch nach der am 24. Juli 2005 erfolgten Gemeindegründung fortbestehen.
Die neue Jüdische Kultusgemeinde (JKG) hat nach eigenen Angaben 50 Mitglieder, von denen 30 noch der JGG angehören. Diese zählt derzeit 200 Mitglieder. JKG-Vorsitzende ist Tichauer Moritz. Die Gottesdienste finden in der Bildungseinrichtung Arbeit und Leben in der Langen Geismarstraße 72 statt. Dort führt auch das Lehrhaus seine Veranstaltungen durch. Die konservative jüdische Gemeinde in Braunschweig hat der JKG eine Torarolle zur Verfügung gestellt. Als Gastrabbinerin wirkt Elisa Klapheck. Die neue Gemeinde will sich intensiv um den religiösen Unterricht von Kindern und Jugendlichen kümmern.
Mitgliedschaft im Zentralrat
„Wir streben eine Mitgliedschaft im Zentralrat der Juden in Deutschland an“, betont Tichauer Moritz. Diesem Gremium gehört die JGG nicht an. Zwischen dem Zentralrat und der Union Progressiver Juden bestehen Differenzen. Die Union wirft dem Zentralrat unter anderem vor, orthodoxe Juden zu bevorzugen. Die JKG-Gründung stellt die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit vor eine Herausforderung. Diese war bisher nicht bereit, Veranstaltungen des Lehrhauses anzukündigen. Dem Förderverein Jüdisches Zentrum will sich die JKG heute abend vorstellen.
Michael Caspar
Foto: Bat Mitzwa: Joy Ruth Dorany (r.) und Jehezkiel Hangaly.

 


Strömungen im Judentum

Die Anfänge des Reformjudentums reichen ins 18. Jahrhundert zurück. Mit der bürgerlichen Emanzipation der Juden stellte sich die Frage nach der Assimilation. Mit der Aufklärung setzte ein kritischer Umgang mit der Bibel ein. Diese wurde nicht mehr als wörtliche Offenbarung Gottes akzeptiert.
Beginnend mit dem Gelehrten Moses Mendelssohn (1729-–1786) begannen Juden, ihr theologisches und liturgisches Erbe auf den Prüfstand zu stellen. Diese Diskussion wurde anfangs vor allem in Deutschland geführt, wo sich damals das intellektuelle Zentrum der jüdischen Welt befand. In Seesen gründete der Pädagoge Israel Jacobson (1768–1828) 1810 die erste Reform-Gemeinde. Die Reformer machten sich für eine Anpassung an die Mehrheitsgesellschaft stark und lehnten sich an christliches Brauchtum an. Orgelmusik hielt Einzug in ihre Gottesdienste.
Als die erste Synode der Reformjuden 1844 in Braunschweig die Aufgabe des Hebräischen als Gebetssprache beschloss, kam es unter den Reformern zum Bruch. Der damalige Dresdener Rabbiner und spätere Leiter des einflussreichen Jüdischen Theologischen Seminars in Breslau, Zacharias Frankel (1801–1875) begründete das konservative Judentum. Dies fühlt sich dem aufklärerischen Geist der Reformer verpflichtet, lehnt aber das ab, was es als Auflösungstendenzen wahrnimmt.
Als Bewegung gegen reformiertes und konservatives Judentum entstand im 19. Jahrhundert unter der Führung des Frankfurter Rabbiners Samson Raphael Hirsch (1803–1888) die Neo-Orthodoxie. Sie stellt den rational unterfütterten Versuch dar, die Tora als Offenbarung Gottes gegen die Zumutungen der Moderne zu verteidigen.
mic

 

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